Das Landgericht Düsseldorf (Urt. v. 15.3.2024 - 34 O 41/23) hat in einem viel beachteten Urteil festgestellt, dass die Vorschrift zum Auskunftsrecht in Art. 15 DSGVO eine Marktverhaltensregelung im Sinne von § 3a UWG ist und damit Verstöße hiergegen auch über das Lauterkeitsrecht von Verbraucherschutzorganisationen gehandet werden können. 

Worüber musste das LG Düsseldorf entscheiden?

Fast ein ein Jahr zuvor hat der EuGH in der Rechtssache C-319/20 die erste Weiche dafür gestellt, dass Verbraucherschutzverbände gegen Verletzungen des Schutzes personenbezogener Daten Verbandsklagen erheben können.  Diese Frage war zuvor umstritten und musste vom EuGH entsprechend entschieden werden. Dabei ging es um die Frage, ob ein Verbraucherschutzverband auch dann klagebefugt ist, wenn er ohne einen konkreten Auftrag einer betroffenen Person und unabhängig von der Verletzung konkreter Rechte Klage wegen eines Datenschutzverstoßes erhebt. Für eine solche Klagebefugnis sei allerdings erforderlich, dass die betreffende Datenverarbeitung die Rechte identifizierter oder identifizierbarer natürlicher Personen aus der DSGVO beeinträchtigen kann.

In der vorliegenden Entscheidung des LG Düsseldorf lag eine solche Verbandsklagekonstellation jedoch gerade nicht vor; gleichwohl begründete das LG Düsseldorf die Aktivlegitimation unter Hinweis auf die Entscheidung des EuGH in der Rechtssache C-319/20.. Vielmehr ging die klagende Verbraucherzentrale Baden-Württemberg gegen einen ganz konkreten Verstoß gegenüber einer konkreten natürlichen Person durch das beklagte Unternehmen vor. Hier maßgeblich ging es um eine zu spät erteilte Auskunft. Dabei hat das beklagte Unternehmen die nach Art. 15 DSGVO geforderte Auskunft erst zwei Monate nach dem Auskunftsverlangen erteilt.  Dabei versäumte es das beklagte Unternehmen, die gesetzliche Frist von maximal einem Monat aus Art. 12 Abs. 3 DSGVO mit einer ausreichenden Begründung zu verlängern.     

Unter anderem wegen dieses Verstoßes mahnte der klagende Verband das beklagte Unternehmen ab und forderte zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auf. Nachdem die geforderte Erklärung außergerichtlich nicht abgegeben wurde, erhob der klagende Verband Klage auf Unterlassung beim Landgericht Düsseldorf.

Die Entscheidung des LG Düsseldorf - Art. 15 DSGVO ist Marktverhaltensregelung

Das Landgericht Düsseldorf (34 O 41/23) gab der Klage statt und verurteilte das beklagte Unternehmen unter anderem mit folgendem Tenor:

Tenor_Urteil_LG_Düsseldorf.pngDas Landgericht Düsseldorf (34 O 41/23) begründete den Unterlassungsanspruch mit einem Verstoß gegen eine Marktverhaltensregelung im Sinne von § 3a UWG. Nach Ansicht des Vorsitzenden Richtes stellten die Vorschriften aus §§ 12, 15 DSGVO solche Marktverhaltensregelungen dar. Hierzu führte er unter anderem aus:

Unter Zugrundelegung dieses Maßstabs handelt es sich bei Art. 12, Art. 15 DSGVO um Marktverhaltensregelungen. Die Auskunftspflicht und die diesbezügliche Frist dienen dem Verbraucherschutz. Sie flankieren die Informationspflichten des Unternehmers nach Art. 13 DSGVO, wonach der Verantwortliche im Sinne von Art. 4 DSGVO vor der Entgegennahme personenbezogener Daten des Interessenten über bestimmte Umstände zu informieren hat. Beide Informations- bzw. Auskunftspflichten dienen dem Interesse des Verbrauchers und sonstigen Marktteilnehmers, eine geschäftliche Entscheidung zu treffen. Bei den Informationspflichten nach Art. 13 DSGVO dienen sie dem Verbraucher zur Entscheidung, ob er mit dem Unternehmen überhaupt in Kontakt treten möchte (vgl. OLG Stuttgart, a.a.O.). Die Auskunftspflicht nach Art. 15 DSGVO und die Frist in Art. 12 DSGVO dienen im Nachgang zur Geschäftsanbahnung der Vertragsabwicklung. Sie ermöglichen damit dem Verbraucher eine geschäftliche Entscheidung über sein weiteres Handeln in diesem Geschäftskontakt zu treffen.

Ein Verstoß gegen diese Vorschriften sei auch geeignet, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen. Aus diesem Grund steht dem klagenden Verband ein Anspruch auf Unterlassung dieser unlauteren Geschäftspraktik zu. 

Auswirkungen auf die Praxis

Die Entscheidung ist aus zahlreichen Gründen interessant. So stellt sich für das LG Düsseldorf nicht die Frage, ob es bei einem Verstoß gegen die DSGVO überhaupt einen Unterlassungsanspruch gibt, denn die DSGVO selber kennt einen solchen Anspruch gerade nicht. So wird sodann auch die Auffassung vertreten, die Rechte und Ansprüche aus der DSGVO seien abschließend, sodass kein Raum für einen zivilrechtlichen Unterlassungsanspruch wäre. Die Meinungen gehen dabei deutlich auseinander, wobei die besseren Gründe dafür sprechen, einen zivilrechtlichen Unterlassungsanspruch zuzulassen.

 Gemeinsam mit Kevin Leibold habe ich in der ZD-Aktuell 2021, 05583 den zu diesem Zeitpunkt aktuellen Meinungsstand dargestellt. Dabei fällt in der Rückschau auf, dass es zu der Zeit noch keine Entscheidung gab, die sich mit der Frage befasste, ob Art. 15 DSGVO eine Marktverhaltensregelung im Sinne von § 3a UWG darstellt. Das LG Wiesbaden (Urt. v. 5.11.2018 - 5 O 214/18 war zwar thematisch am nächsten dran (dort ging es ebenfalls um Verstößge gegen Art. 15 DSGVO), es schloss sich jedoch der Ansicht an, dass die Vorschriften der DSGVO gegenüber dem UWG eine Sperrwirkung entfalten, sodass es auf die Frage, ob Art. 15 DSGVO eine Marktverhaltensregelung darstellt, nicht mehr ankam.

Auf diese Sperrwirkung ging das LG Düsseldorf erst gar nicht ein. Vielmehr prüfte es direkt, ob Art. 15 DSGVO eine Marktverhaltensregelung im Sinne von § 3a UWG darstellt. Soweit ersichtlich, wurde diese Frage bislang nur für Art. 13 DSGVO, nicht aber für Art. 15 DSGVO geprüft. Der Vorsitzende geht dabei von einer Marktverhaltensregelung aus, weil Art. 15 DSGVO im Rahmen einer bestehenden Geschäftsbeziehung dazu eingesetzt werden kann, um zu entscheiden, wie man künftig mit dem Geschäftskontakt umgehen wolle. Dies stelle eine nach dem LG Düsseldorf eine relevante geschäftliche Entscheidung dar.

Der Begriff der geschäftlichen Entscheidung wird in § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG definiert als

 jede Entscheidung eines Verbrauchers oder sonstigen Marktteilnehmers darüber, ob, wie und unter welchen Bedingungen er ein Geschäft abschließen, eine Zahlung leisten, eine Ware oder Dienstleistung behalten oder abgeben oder ein vertragliches Recht im Zusammenhang mit einer Ware oder Dienstleistung ausüben will, unabhängig davon, ob der Verbraucher oder sonstige Marktteilnehmer sich entschließt, tätig zu werden;

Um ein hohes Verbraucherschutzniveau zu gewährleisten, ist der Begriff der geschäftlichen Entscheidung weit auszulegen und erfasst geschäftliche Entscheidungen vor, bei oder nach Abschluss eines Geschäfts. Die geschäftliche Entscheidung kann auch darin bestehen, dass der Verbraucher ein Tätigwerden unterlässt. Erfasst ist auch die Entscheidung, eine geschäftliche Beziehung zu beenden. 

Das Auskunftsrecht aus Art. 15 DSGVO dient der betroffenen Person zunächst dazu, in Erfahrung zu bringen ob und wenn ja, wie personenbezogene Daten über sie verarbeitet werden. Mit dem Auskunftsrecht kann eine betroffene Person also in Erfahrung bringen, ob das verantwortliche Unternehmen einen ordnungsgemäßen Umgang mit personenbezogenen Daten seiner Kunden pflegt. Die Entscheidung, ob eine Geschäftsbeziehung mit einem Unternehmen eingegangen oder fortgesetzt wird, hängt für nicht wenige Kunden auch mit der Frage zusammen, ob das Unternehmen die personenbezogenen Daten schützt oder eher freizügig mit diesen umgeht. Das Auskunftsrecht aus Art. 15 DSGVO ist damit mittelbar auch dazu geeignet, es Verbrauchern zu ermöglichen, eine geschäftliche Entscheidung zu treffen. Insofern kann man der Argumentation des Landgerichts Düsseldorf folgen. Art. 15 DSGVO dient auch dem Schutz der Verbraucher, ist also in deren Interesse. Diese klare Einordnung des LG Düsseldorf von Art. 15, 12 DSGVO als Marktverhaltensregelung ist allerdings nicht unumstößlich, sodass es spannend bleibt, ob hiergegen Berufung zum OLG Düsseldorf eingelegt wird. 

  Mehr zum Auskunftsrecht im eigenen Blogbeitrag Das datenschutzrechtliche Recht auf Auskunft - Art. 15 DSGVO

Eine gute Datenschutzorganisation kann Ärger verhindern

Ob die Entscheidung des Landgericht Düsseldorf Bestand hat, wird sich zeigen, wenn der Instanzenzug beendet ist und wenn sich weitere Gerichte dieser Ansicht angeschlossen haben sollten. Die Feststellungen des Landgerichts Düsseldorf sind vertretbar, die Einordnung von Art. 15 DSGVO als Marktverhaltensregelung aber nicht zwingend. Denn einerseits dient die Vorschrift primär, sich der Rechtmäßigkeit der Datenverarbeitung bewusst zu werden, also dem Schutz der eigenen personenbezogenen Daten. Andererseits enthält die DSGVO mit Art. 82 DSGVO eine eigene Sanktionsvorschrift für Verstöße auch gegen Art. 15 DSGVO. Da allerdings nicht jeder Verstoß gegen Art. 15 DSGVO auch zu einem tatsächlichen immateriellen Schaden führt - wie die aktuelle Rechtsprechung in Deutschland zeigt - ist eine Sanktionierung nur mithilfe der Vorschriften der DSGVO lückenhaft. Das wiederum spricht im Ergebnis für einen begleitenden Unterlassungsanspruch aus § 3a UWG i.V.m. Art. 15 DSGVO. 

Die Entscheidung zeigt aber von der rechtlichen Bewertung losgelöst folgendes: die Verbraucherschutzverbände scheuen nicht, von ihren durch den EuGH geschaffenen Befugnissen zur Durchsetzung der DSGVO Gebrauch zu machen. Das bedeutet für Unternehmen, dass sie erst recht dafür Sorge tragen sollten, DSGVO-complient zu agieren. Mit Blick auf das Auskunftsrecht aus Art. 15 DSGVO bedeutet das, dass ein Prozess implementiert wird, der es erlaubt, zeitnah und ordnungsgemäß auf Auskunftsverlangen zu reagieren. Ausweislich der tatsächlichen Feststellungen fehlte es vorliegend bereits an der Ankündigung des Unternehmens, dass die Bearbeitung des Auskunftsverlangens etwas länger dauert. Bereits diese Mitteilung über eine Fristverlängerung hätte vorliegend womöglich gereicht, um das Urteil des LG Düsseldorf zu vermeiden.  

 

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