In einem aktuell veröffentlichten Streitwertbeschluss hat das Hanseatische Oberlandesgericht festgestellt, dass der Unterlassungstreitwert für eine urheberrechtswidrige Übernahme eines Produktfotos im einstweiligen Verfügungsverfahren bei 8.000,00 EUR liegen kann.
Unberechtigte Übernahme von Produktfotos rechtfertigt Streitwert von 8.000 EUR pro Bild
Zunächst stellte der Senat allgemein fest, dass es für die Bemessung des Streitwertes für die gerichtliche Auseinandersetzung auf die Umstände des jeweiligen Einzelfalles ankäme. Ausgangspunkt und Maß der Bewertung des Streitwertes sei nach den allgemeinen Grundsätzen das nach objektiven Maßstäben zu beurteilende individuelle Interesse des Antragstellers. Bei urheberrechtichen Unterlassungsansprüchen, zum Beispiel nach der unbefugten Übernahme von fremden Fotos, richte sich deren Wert nach dem Interesse des Anspruchstellers an der Unterbindung weiterer gleichartiger Verstöße. Auch dieses Interesse ist unter Berücksichtigung des Einzelfalles zu bewerten. Hierzu führt der Senat wörtlich aus:
Anhaltspunkte sind sowohl der wirtschaftliche Wert des verletzten Rechts als auch die Intensität und der Umfang der Rechtsverletzung (sog. Angriffsfaktor; BGH BeckRS 2017, 123474 Rn. 24 - Filesharing). Der Angriffsfaktor wird insbesondere durch die Stellung des Verletzers und des Verletzten, die Qualität der Urheberrechtsverletzung, den drohenden Verletzungsumfang, die Art der Begehung des Rechtsverstoßes und eine hierdurch etwa begründete Gefahr der Nachahmung durch Dritte sowie subjektive Umstände auf Seiten des Verletzers wie den Verschuldensgrad bestimmt (BGH BeckRS 2017, 123474 Rn. 24 - Filesharing). Das mit dem Unterlassungsbegehren verfolgte Interesse des Anspruchstellers ist darauf gerichtet, in Zukunft weitere oder fortgesetzte Rechtsverletzungen zu unterbinden. Der Gefährlichkeit der bereits begangenen Verletzungshandlung kommt bei der Wertbemessung Indizwirkung zu (BGH BeckRS 2017, 123474 Rn. 25 - Filesharing). Allerdings kann auch anderen, von der Verletzungshandlung unabhängigen Faktoren - etwa dem Grad der Wahrscheinlichkeit künftiger Zuwiderhandlungen - Rechnung zu tragen sein (BGH BeckRS 2017, 123474 Rn. 25 - Filesharing).
Systematischer Fotoklau im Internet rechtfertigt hohen Streitwert
Nach diesen eher allgemeinen Ausführungen hat sich das OLG sodann mit den Umständen des konkreten Falles befasst und geprüft, welcher Streitwert vorliegend angemessen ist. So hat es zunächst festgestellt, dass die Festsetzung eines Streitwertes von 8.000,00 EUR pro Bild durch das Landgericht Hamburg nicht zu beanstanden war. Hierzu führte das OLG aus:
Der Bundesgerichtshof hat bei einer gewerblichen Nutzung eines einfachen Fotos ohne kompositorische Inszenierung, wie es ohne Weiteres im Wege eines Schnappschusses hätte erstellt werden können, im Wege des öffentlich Zugänglichmachens i.S.v. § 19a UrhG einen Unterlassungswert in Höhe von 6.000,- € in der Hauptsache für nicht zu beanstanden angesehen (vgl. BGH GRUR 2019, 292 Rn. 29 - Foto eines Sportwagens). Das Landgericht hat demgegenüber im Streitfall zutreffend berücksichtigt, dass sich die gegenständlichen Produktfotografien von einem bloßen Schnappschuss erkennbar abheben. Auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts in der Nichtabhilfeentscheidung vom 10.12.2021 wird insoweit zur Vermeidung von Wiederholungen vollumfänglich Bezug genommen. Zudem ist der Antragsteller ein professioneller Fotograf. Der Wert der verletzten Urheberrechte ist daher vorliegend erhöht. Hinzukommt, dass die Antragsgegnerin die gegenständlichen Bilder zur Illustration ihrer Verkaufsangebote auf ihrer im Internet betriebenen Verkaufsplattform www.c....com genutzt und damit die Qualität der streitgegenständlichen Bilder zu eigenen wirtschaftlichen Zwecken ausgewertet hat. Der Angriffsfaktor ist daher vorliegend als erheblich anzusehen.
Bereits Landgericht Hamburg setzte Streitwert auf 8.000 EUR pro Bild fest
Das Hanseatische OLG hat hinsichtlich der Bewertung des Streitwertes auf die Begründung durch das Landgericht Hamburg verwiesen, sodass es sinnvoll erscheint, diese hier auch darzustellen. In seinem Beschluss (v. 10.12.2021 - 308 O 193/21) hat das Landgericht Hamburg hierzu wie folgt festgestellt:
Für die einzelnen Fotos ist ein Streitwert von jeweils 8.000,- € anzusetzen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist schon bei einem Verbot der gewerblichen Nutzung eines einzelnen bloßen "Schnappschusses" die Bemessung des Gegenstandswerts mit 6.000,- € nicht als rechtsfehlerhaft anzusehen (BGH GRUR 2019, 292 Rn. 29 - Foto eines Sportwagens). Von einem bloßen Schnappschuss heben sich die streitgegenständlichen Produktfotografien erkennbar ab. Es handelt sich um klare, spiegelfreie Aufnahmen der Produkte; zum Teil wurden die Produkte und ihr Zubehör für die Fotoaufnahme speziell positioniert. Außerdem beinhalten die Bilder den weiteren Produktionsschritt, dass die Produktabbildungen vom Hintergrund gelöst und isoliert dargestellt wurden.
Höherer Streitwert im Hauptsacheverfahren möglich
Ein Augenmerk sollte auch auf die Ausführungen in Randziffer 6 der Entscheidung des OLG gelegt werden. Denn dort führt der Senat aus, dass es einen Streitwert in Höhe von 8.000,00 EUR pro Bild auch unter Berücksichtigung der Tatsache für angemessen hält, dass es sich im vorliegenden Verfahren um ein solches im einstweiligen Rechtsschutz handelt. In diesen Verfahren ist es üblich, dass es hinsichtlich des Streitwertes zu einer angemessenen Reduzierung des in einem Hauptsacheverfahren anzusetzenden Streitwertes kommt. Der Senat hat also bei den 8.000,00 EUR bereits diese angemessene Reduzierung mitgedacht, sodass im Hauptsacheverfahren ein noch höherer Streitwert pro Bild angemessen ist. Welcher Streitwert im Hauptsacheverfahren angemessen wäre, dazu hatte sich das OLG nicht geäußert und musste dies auch nicht. Wenn man allerdings von der gängigen Praxis ausgeht, entspricht der Streitwert im einstweiligen Rechtsschutz 2/3 des Streitwerts aus dem Hauptsacheverfahren.
Was bedeutet die Entscheidung für die Praxis?
Nicht selten kommt es vor, dass sich Shop-Betreiber die Kosten und Mühen sparen, für den eigenen Shop professionelle Produktbilder anfertigen zu lassen. Bietet ein Mitbewerber die gleichen Produkte in seinem Shop an, ist es verlockend, sich an den dort verwendeten Produktbildern zu bedienen. Kopiert und rübergezogen auf den eigenen Shop sind die Bilder schnell. Und wenn es keiner merkt, dann hat man sich eine Menge an Kosten für einen professionellen Fotografen gespart. Diese Rechnung geht zurecht nicht auf, wenn man doch erwischt wird. Mit der Entscheidung des OLG wird das wirtschaftliche Risiko für eine solche massenhafte Urheberrechtsverletzung auch noch einmal deutlich größer. Und das Landgericht Hamburg hatte bereits in der Vorinstanz klar gesagt, dass es auch keinen "Rabatt" gibt, je mehr Bilder unrechtmäßig verwendet werden:
Bei der Gesamtbewertung ist vorliegend keine Reduzierung mit Blick darauf vorzunehmen, dass die rechtswidrige Nutzung von 14 Fotografien angegriffen worden ist. Zwar ist in Fällen der Rechtsverletzung in Bezug auf eine Vielzahl von urheberrechtlich geschützten Werken in der Regel von einem abgestuften Streitwertsystem auszugehen, bei dem insbesondere bei Rechtsverletzungen in großem Umfang nicht mehr eine reine Addition der Einzelstreitwerte erfolgt, sondern entweder eine Reduzierung der Einzelwerte oder eine Pauschalbewertung vorgenommen wird. Dies beruht auf der Überlegung, dass ein Rechtsverletzer, der erstmalig wegen einer Rechtsverletzung in Anspruch genommen wird, nicht deshalb übermäßig mit Kosten belastet werden soll, weil er - vor einer gerichtlichen Klärung der Rechtslage - nicht nur einzelne, sondern Verstöße in größerem Umfang (im Regelfall fahrlässig) begangen hat, die er bei Kenntnis der zutreffenden rechtlichen Beurteilung unterlassen hätte. Deshalb ist der für die Streitwertbemessung maßgebliche Angriffsfaktor der weiteren rechtsverletzenden Handlungen nicht stets gleich hoch zu bemessen (vgl. OLG Hamburg Urt. v. 11.2.2009, Az. 5 U 154/07, BeckRS 2009, 17540; OLG Hamburg, Beschl. v. 01.12.2016, Az. 5 W 52/16; vgl. auch OLG Köln BeckRS 2019, 305 Rn. 68).
Allerdings hat eine "Vergünstigung" im Wege einer Reduzierung des Gesamtstreitwerts zu unterbleiben, wenn der Angriffsfaktor des Verhaltens des Verletzers im Einzelfall besonders hoch ist. Dies ist etwa der Fall, wenn sich ein Verletzer willentlich einer ihm bekannten und für ihn maßgeblichen rechtlichen Beurteilung verschlossen hat oder planmäßig Rechtsverletzungen begeht (vgl. OLG Hamburg Urt. v. 11.2.2009, Az. 5 U 154/07, BeckRS 2009, 17540).
Vorliegend war es für die Antragsgegnerin ersichtlich, dass sie keine Rechte an den Bildern hat. Sie hat nach eigenem Bekunden die Bilder von Amazon übernommen. Für die Streitwertfestsetzung ist es nicht erheblich, ob die Antragsgegnerin wusste, wem die Rechte zustehen, solange ihr unstreitig und für sie offensichtlich keine Nutzungsrechte eingeräumt worden waren. Zudem hat die Antragsgegnerin ihr eigenes Angebot erkennbar systematisch mit Fotos ausgestattet, an denen sie keine Rechte erworben hat.
Am Ende lassen sich anhand der Entscheidung des Hanseatischen Oberlandesgerichtes ein paar Kriterien festhalten, bei deren Vorliegen auch in anderen, vergleichbaren Fällen ein Streitwert von 8.000,00 EUR pro geklautem Bild angemessen sein kann:
- Fotos von einem professionellen Fotografen angefertigt
- Fotos gehen von der Qualität über einen bloßen Schnappschuss hinaus
- Aufnahmen sind klar und spiegelfrei
- Produkte werden nebst Zubehör für die Fotoaufnahmen speziell positioniert
- Bilder enthalten den weiteren Produktionsschritt, dass die Produktabbildungen vom Hintergrund gelöst und isoliert dargestellt werden
Diese und weitere Kritierien können bei der Bewertung des Streitwertes im Rahmen einer Abmahnung oder eines gerichtlichen Verfahrens berücksichtigt werden. Je mehr Kritierien erfüllt sind, umso eher ist auch ein hoch angesetzter Streitwert pro Bild gerechtfertigt.