Autor: Oliver Löffel
Das Landgericht im schwäbischen Hechingen, direkt am Fuße der berühmten Burg Hohenzollern, hat den Eilantrag eines Bundestagsabgeordneten, dessen Beitrag auf LinkedIn gesperrt wurde, zurückgewiesen (3 O 83/23). Die schwäbischen Richter haben schnell geschafft und entschieden, so wie es das Bundesverfassungsgericht will: Der Eilantrag vom 23. August 2023 wurde heute zurückgewiesen, siehe SWR. Gegen den Beschluss, mit dem der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen wurde, muss der Abgeordnete nun sofortige Beschwerde einlegen. In zweiter und letzter Instanz werden die Richter am Oberlandesgericht Stuttgart über den Eilantrag entscheiden.
Worauf muss im Prozess geachtet werden?
Neben der Frage, ob ein Anspruch des Abgeordneten auf Wiederherstellung des gelöschten Beitrages besteht (siehe hierzu den Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung ab Seite 17), stellen sich in solchen Eilverfahren zahlreiche prozessuale Fragen:
1. Prozessuale Waffengleichheit
Das Oberlandesgericht wird sich die Frage stellen, ob es LinkedIn vor Erlass der einstweiligen Verfügung formlos anhören oder gar eine mündliche Verhandlung anberaumen muss. Es geht dabei um die Waffengleichheit im Eilverfahren (ausführlich dazu Mantz/Löffel, Das prozessuale „Gesetz“ der Waffengleichheit in der Praxis – Ein Leitfaden, WRP 2022, 1059).
Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist streng – mittlerweile zu streng und unpraktikabel. Das BVerfG verlangt, dass der Antragsteller Glaubhaftmachungsmittel bereits mit der Abmahnung vorlegt (vgl. Beschluss vom 26. April 2023, 1 BvR 718/23 – Boris Becker).
2. Dringlichkeit oder doch Vorwegnahme der Hauptsache
Das Oberlandgericht wird sich zudem fragen, ob die Sache so dringend ist, dass über die Löschung des Beitrages des Abgeordneten im Eilverfahren entschieden werden muss. Die Wiederherstellung des Beitrages muss dringend sein. An diese Dringlichkeit im Rahme des Verfügungsgrundes sind besonders strenge Anforderungen zu stellen, wenn das Gericht hier einen Antrag auf Erlass einer Leistungsverfügung annimmt (Wiederherstellung des gelöschten Beitrages). Die Frage, ob es bei Eilanträgen gegen Sperren durch Twitter, LinkedIn & Co um Leistungsverfügungen oder Unterlassungsverfügungen geht, wird uneinheitlich beurteilt (hierzu Löffel, GRUR-Prax 2023, 438).
Hinweis: Zur Dringlichkeit eines Antrages auf Freischaltung hatte zuletzt das OLG Frankfurt am Main entschieden. |
3. Never Ending Story - Auslandszustellung an Social Media Plattformen
Erlässt das Oberlandgericht die einstweilige Verfügung, muss sie von dem Abgeordneten vollzogen und hierzu LinkedIn zugestellt werden. Gegner in dem Verfahren ist LinkedIn in Irland, im irischen Companies Registration Office unter der Nummer 477441 registriert. Wenn sich für LinkedIn kein Anwalt für das Verfahren bestellt und die einstweilige Verfügung in Irland zugestellt werden muss, stellt sich die Frage, wie die Zustellung erfolgen muss. In der Praxis ist es bislang nicht unüblich, dass ein Antragsteller in Eilverfahren ein deutsches Gericht um die Zustellung einer einstweiligen Verfügung ersucht (vgl. auch BGH, Beschluss vom 26. Januar 2023, I ZR 111/21, Rn. 12). Aber ist die Einschaltung eines deutschen Gerichts zum Zwecke der Parteizustellung in der Neufassung der EUZVO (VO 2020/1784) überhaupt vorgesehen? Der Antragsteller muss grundsätzlich die unmittelbare, also parteibetriebene, Zustellung nach §§ 922 Abs. 2, 929 Abs. 2, 936 ZPO, 183 ZPO, Artikel 20 EUZVO nutzen.
Eine einstweilige Verfügung eines deutschen Gerichts muss danach „unmittelbar durch Amtspersonen, Beamte oder sonstige zuständige Personen des Mitgliedstaats, in dem Zustellung beantragt wird“ zugestellt werden. Von einem deutschen Gericht, das man in Deutschland um die Zustellung einer einstweiligen Verfügung ersuchen kann, steht in Artikel 20 EUZVO nichts. Zwar kann für den Gläubiger die Einschaltung des Gerichts im Rahmen der Parteizustellung unvermeidbar sein (vgl. OLG Frankfurt/Main, Beschluss vom 9. Juli 2013 – 6 U 120/13), wenn die Zustellung allein auf einem dem Gericht vorbehaltenen Weg möglich ist (OLG Dresden, Beschluss vom 6. November 2018 – 4 W 940/18). Wenn dem Antragsteller jedoch selbst die Bewirkung einer Auslandszustellung ohne Vermittlung durch das Gericht möglich ist (und es damit einer Tätigkeit durch das deutsche Gericht nicht bedarf), stellt sich die Frage, ob der Auftrag der Zustellung an das deutsche Gericht überhaupt statthaft ist (vgl. hierzu Landgericht Düsseldorf, Beschluss vom 7. Dezember 2020, 38 O 157/20). Der sicherste Weg ist das möglicherweise nicht (mehr).
Lesetipp für den umgekehrten Fall, in dem es um einen Anspruch auf Löschung eines Beitrages geht: Holznagel, Vertragliche Löschansprüche – Neues Kapitel für die Providerhaftung?
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